„Zukunftsideen für unsere Dörfer“

Veröffentlicht am 01.06.2009 in Kommunalpolitik

Der Kreis Calw ist neben seinen städtischen Zentren geprägt durch eine Vielzahl kleinerer Gemeinden und Dörfer. Dieser ländliche Raum, der zukünftig besonders vom demografischen Wandel betroffen sein wird, muss sich frühzeitig neuen Herausforderungen stellen und Visionen entwickeln, um attraktiv zu bleiben und überleben zu können. Der Wildberger SPD –Ortsverein und der SPD Kreisverband Calw veranstalteten vergangenen Freitag in Wildberg-Schönbronn eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema.

Der Kreis Calw verliert bereits jetzt im Schnitt jährlich mehr als 600 Einwohner allein durch Wegzug. Diese Schrumpfung bedeutet neben einem steuerlichen Finanzverlust für die Gemeinden auch eine fehlende Kaufkraft für Wirtschaft und Einzelhandel in der Region. Sie spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass sich der Kreis Calw beim Steueraufkommen nur auf Platz 42 von insgesamt 44 Kreisen in Baden-Württemberg findet.
Der Kreisrat und Vollmaringer Ortschaftsrat Daniel Steinrode, der die Veranstaltung moderierte, unterstrich die Bedeutung der „weichen Standortfaktoren“ wie etwa Bildungs- und Kulturangebote, die mittlerweile ausschlaggebend sind für die Anwerbung hoch qualifizierter Arbeitnehmer wie auch für die Ansiedelung neuer Arbeitgeber. Der ehemalige Nagolder Oberbürgermeister Dr. Rainer Prewo forderte, mehr auf eigene Arbeitsplätze vor Ort zu setzen, auch im Tourismus, um die Region zukunftsfähig und anziehend für junge Familien zu machen. Gute Kinderbetreuung, Erhaltung der Schulen, Nahversorgung der Einwohner am Ort und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe müssen oben auf der Agenda stehen. Dazu muss der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut und ein zuverlässiger Busverkehr im Stundentakt eingerichtet werden. Vor allem müsse der Anschluss an die Metropolregion Stuttgart energisch betrieben werden. Eine S-Bahn brächte eine entscheidende Aufwertung der Region.

Gabriele Gerharz, Ortsvorsteherin von Nagold-Schietingen und FDP-Kreistagskandidatin, berichtete, dass auch ihr Teilort von Abwanderung und geringer Geburtenrate betroffen sei. Hier müsse der Mehrgenerationenaspekt zukünftig ebenso in den Blickpunkt rücken wie ein zuverlässiger Busverkehr, um insbesondere kleine Teilorte attraktiver zu gestalten. Die Kirche „mit im Boot“ sah Dekan Ralf Albrecht (Evangelischer Kirchenbezirk Nagold): sinkende Einwohnerzahlen bedeuteten auch einen Verlust an Mitgliederzahlen und Kirchensteuern. Dennoch sei es aber wichtig, neben einem bereits bestehenden Seelsorgenetzwerk auch Projekte für Senioren zur Gestaltung ihres Alltags anzubieten. Die Kirche dürfe aber auch die Chance auf frühkindliche Bildung im Dorf nicht vernachlässigen. Dieter Dannenmann (SPD-Gemeinderat Wildberg und Kreistagskandidat) wies auf eine weitere folgenschwere Entwicklung hin. Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum werde zunehmend weniger. Dies betrifft sowohl Arztpraxen wie auch Krankenhäuser, die zunehmend von Schließung bedroht sind. Der Diakon und SPD-Kreistagskandidat Andreas Reichstein betonte, dass die soziale Infrastruktur der Dörfer wichtiger sei denn je, und eine Klammer zwischen älterer Generation und Kinderbetreuung geschaffen werden müsse. Er lenkte das Augenmerk auf die landschaftliche und damit touristische Attraktivität der Region, die weitaus mehr dauerhafte Arbeitsplätze zu bieten habe, als dies bislang erkannt und ausgeschöpft werde.

Die rege Anteilnahme des Publikums an der Diskussionsrunde sowie die Tatsache, dass die Veranstaltung sehr gut besucht war, zeigte deutlich, wie sehr das Thema vielen Einwohnern unter den Nägeln brennt.