Haushaltsrede der SPD Nagold zum Haushalt 2024

Veröffentlicht am 07.02.2024 in Allgemein

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Bürgermeister Breitling, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

wir beschließen heute den Haushalt 2024. Zu einem sehr ungewöhnlichen Zeitpunkt. Eigentlich wird der Haushalt vom Gemeinderat in der Dezembersitzung beschlossen, aber äußere Bedingungen und Unsicherheiten haben uns dazu gezwungen, dies heute zu tun um mehr Planungssicherheit zu haben.

 

Unsere Zeit ist geprägt von Krisen, Kriegen und politischen und ökonomischen Unsicherheiten. Nachdem wir die Coronakriese überwunden hatten, hat Putin für uns alle unerwartet die Ukraine überfallen. Tausende Menschen sterben oder sind auf der Flucht wegen imperialistischer Machtgelüste eines größenwahnsinnigen faschistischen Diktators, der unumwunden mit dem Einsatz von Atomwaffen droht. Jahrelang konnte sich Deutschland und Europa sicher fühlen und sich auf billige Gaslieferungen aus Russland verlassen. Eine Scheinsicherheit, die wie eine Seifenblase zerplatzte. Verbunden mit der größten Krise der Menschheit, dem menschengemachten Klimawandel, brach über uns eine Energiekrise herein, die es gilt zu meistern. Der Überfall auf die Ukraine hat einen zusätzlichen Flüchtlingsstrom nach Deutschland in Gang gesetzt, der uns konkret vor Ort vor weitere Herausforderungen stellt. Gleichzeitig werden wir mit der Herausforderung des wachsenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus konfrontiert. Hass und Hetze finden nicht mehr hinter vorgehaltener Hand statt, sondern werden ganz offen versucht, in die Mitte der Gesellschaft zu tragen und hoffähig zu machen. Bestes Beispiel ist das Potsdamer Treffen von AfD Politikern mit Vertretern der Werteunion, sowie Rechtsextremisten und Vertretern der Identitären Bewegung bei dem nach Recherchen der Presseplattform Correctiv über die Remigrationspläne der Rechtsextremen diskutiert wurde. Aber auch der widerlich Abschiebekalender der AfD Landtagsfraktion, der an Weihnachten in einem Video vom örtlichen AfD Abgeordneten vorgestellt wurde, ist eine Grenzüberschreitung, die unerträglich ist. Es ist gut, dass sich ein breites Bündnis von Demokratinnen und Demokraten gebildet hat, um aufzustehen und diesen Umtrieben entgegenzutreten. Vielen Dank an die Verbände, Vereine, Institutionen und Parteien aus Nagold, die unter der Federführung der Urschelstiftung die Demonstration am 04.02. in Nagold organisiert haben. Ebenso möchte ich mich bei den Akteuren der Initiative „Omas gegen Rechts“ bedanken, die eine weitere Demonstration für den 25.02.2024 planen.

In diesem Zusammenhang möchten wir gerne wissen, wie denn der Stand beim Setzen der geplanten Stolpersteine ist? Wir schlagen vor, falls noch nicht geschehen, für das Setzen der Steine einen konkreten Termin festzulegen. Aus unserer Sicht wäre der 08.05. ein gutes Datum.

Insbesondere die lange Ungewissheit über die Kreisumlage, die vor allem der Situation in den Krankenhäusern geschuldet ist, hat uns dazu veranlasst erst heute den Haushalt zu beschließen. Es ist richtig, dass der Kreistag das neue Medizinkonzept auf den Weg gebracht hat, denn ein „immer weiter so“ ist für die Kommunen im Kreis in Zukunft nicht finanzierbar.

Umso wichtiger ist es, dass wir vor Ort die Rahmenbedingungen für die Menschen so schaffen, dass ein gutes Zusammenleben möglich ist und Nagold eine gute Entwicklung für seine Bürgerinnen und Bürger nimmt. Wir müssen die knappen Finanzmittel der Bürgerinnen und Bürger so einsetzen, dass sie den größtmöglichen Nutzen für Nagold entfalten.

Leider wurde dieser Grundsatz in der Vergangenheit nicht immer beherzigt. Denken wir nur an die Millionen, die für die OHG Tiefgarage vergraben wurden oder die riesige Geldverschwendung bei der vermurksten Netzvergabe.

Das Verfahren zur Vergabe der Strom und Gasnetze in Nagold war mit Abstand das größte Desaster in der jüngeren Nagolder Geschichte. Ich habe hierzu ja schon mehrfach meine Meinung gesagt, weshalb ich auf dieses Paradestück von Steuergeldvernichtung heute nicht weiter eingehen möchte, was die Nagolder Bürger in Summe weit über eine Million Euro gekostet hat.

Auf einen Punkt möchte ich jedoch schon eingehen, was den Umgang mit demokratisch gewählten Vertretern der Nagolder Bürgerschaft betrifft. Dass Stadträte gegen ihren Willen aus dem Entscheidungsprozess über die Vergabe ausgeschlossen und für Befangen erklärt wurden, und dies auch noch gedeckt vom Regierungspräsidium ist schon der Hammer. Wie das Gericht darüber dachte, zeigt ja der von Ihnen geschlossene Vergleich vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Die Stadt musste zur gütlichen Beilegung 10.000 Euro bezahlen und die angefallenen Gerichtskosten übernehmen. Was dabei zusätzlich aufstößt ist die Höhe der zu bezahlenden Summe. Wenn ich richtig informiert bin, ist dieser Betrag genau die Grenze, über die der Oberbürgermeister ohne Gemeinderatsbeschluss abschließen kann. Naja.

Der Neujahrsempfang der Stadt Nagold war dieses Jahr wieder eine sehr gut inszenierte Show. Man konnte meinen, in Nagold würde ein Projekt nach dem anderen umgesetzt. Aber wenn man sich dann die Präsentationen der Neujahrsempfänge der letzten 5 Jahre anschaut, stellt man schnell fest, dass bei dieser Veranstaltung immer viel angekündigt wird aber der Abgleich mit dem, was tatsächlich umgesetzt wird, ernüchternd ist.

Schule:

Wir haben als Nagold ein breites Schulangebot mit sehr engagierten Lehrerinnen und Lehrern mit den unterschiedlichsten pädagogischen Konzepten.

Von den Grundschulen mit Ganztagesprofil wie die Lembergschule mit aus unserer Sicht sehr guten Ausstattung und Gebäude oder auch der Vollmaringer Grundschule, die erst unlängst als Naturparkschule ausgezeichnet wurde, bis hin zu unserer Gemeinschaftsschule, der Realschule oder unserem OHG. Abgerundet wird das Angebot in Nagold mit dem Berufsschulzentrum in Kreisträgerschaft, welches vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten bietet bis hin zum Abitur an den sehr erfolgreichen beruflichen Gymnasien wie beispielsweise dem WG oder dem TG aber auch der Oberstufe an der Annemarie-Lindner-Schule. Grundsätzlich könnte man denken, Nagold sei beim Thema Bildung gut aufgestellt. Leider hapert es vor allem an den Gebäuden.

Wir haben in den letzten Wochen einige Schulen besucht und leider sind die offenen Baustellen sehr groß. Gut – die Zellerschule wird jetzt angegangen. Das ist nötig und richtig. Aber 37 Millionen ist für unseren Haushalt einfach kein Pappenstiel. Insbesondere wenn man bedenkt welche weiteren Investitionen in die Schulen unbedingt folgen müssen. Die Kernenschule ist in einem desolaten Zustand. Teilweise sind Fenster zugenagelt, Stromleitungen und Sicherungskasten auf dem Stand der 70´ger Jahre und auf dem Schulhof entstehen nach Regen große Wasserflächen.

Hier muss dringend investiert werden. Die in den Haushalt eigestellten 10.000 Euro können hier lediglich ein Anfang sein, um die von der Schule gewünschte Sprunggrube und weitere Maßnahmen im Außenbereich umsetzen zu können.

Auch in die Realschule in Nagold sind erhebliche Investitionen notwendig. Insbesondere in Fenster und in die Verschönerung der Innenbereiche.

Das OHG muss ebenfalls dringend saniert werden. Die größte Schule Nagolds hat ebenfalls großen Investitionsbedarf.

Bildung ist zentrale Ressource unserer Gesellschaft. Um ein wettbewerbsfähiges Schulangebot in Nagold bieten zu können, müssen die Schulgebäude in einem zeitgemäßen Zustand sein. Schon heute verliert Nagold viele Schüler an die Schulen umliegender Gemeinden. Das Bildungszentrum in Wildberg zieht viele Schüler aus dem Norden Nagolds an. Die Gemeinschaftsschule in Jettingen ist sehr attraktiv. Und viele Schülerinnen und Schüler aus den südlichen Stadtteilen nutzen nicht nur wegen den traditionellen Verbindungen die hervorragenden Schulangebote in Rottenburg.

Das Eugen Bolz Gymnasium wird jetzt in der Mitte von Rottenburg nahezu neu gebaut. Hierfür veranschlagt die Stadt Rottenburg 50 Mio für eine Schule mit ca. 1000 Schülern.

Für den aktuell im Bau befindlichen Neubau der Hohenbergschule, eine Werkrealschule, veranschlagt die Stadt Rottenburg ca. 20. Mio.

Die Stadt Calw hat das Maria von Linden Gymnasium für ca. 22 Mio komplett saniert.

Und wir planen mit 37 Millionen für eine Gemeinschaftsschule mit ca. 400 Schülerinnen und Schülern.

Im Vergleich zu den Schulbauprojekten unserer Nachbarkommunen sind die 37 Mio für eine Schule mit knapp über 400 Schülern ein extrem hoher Betrag, der veranschlagt wurde. Wir haben das gemeinsam beschlossen.

Wir müssen aber aufpassen, dass uns das nicht um die Ohren fliegt. Wir befürchten, dass dadurch nötige Investitionen in die anderen Schulen womöglich nicht mehr gemacht werden können und dadurch der Schulstandort Nagold immer unattraktiver wird und im Vergleich zu anderen Schulstandorten weiter an Boden verliert.

Deshalb erwarten wir bei der Umsetzung des Zellerschulbaus ein konsequentes Kostencontrolling durch die Stadtverwaltung. Es muss im Vollzug nochmals nach möglichen Einsparpotenzialen gesucht werden. Wir möchten nicht, dass wir beim Bau der Zellerschule ein ähnliches finanzielles Desaster erleben wie bei der OHG Tiefgarage.

Kinderbetreuung

Nagold hat nach wie vor zu wenige Kindergartenplätze. Es ist schön, dass die privat finanzierte Kita im Hasenbrunnen gebaut werden soll. Auch die Gündringer Kita sorgt etwas für Entlastung, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Im Sinne einer kinderfreundlichen Stadt müssen aber Kindergartenplätze vor Ort angeboten werden In Vollmaringen ist die Situation katastrophal. Für 83 Kinder im Kindergartenalter werden in der Vollmaringer Kita St. Josef 50 Plätze angeboten.  Der Neubau der städtischen Kita muss dringend angegangen werden. Zusätzlich muss der sich im Gespräch befindliche Naturkindergarten zügig umgesetzt werden

Wohnungsbau

Es ist erfreulich, dass Nagold Einwohner dazu gewonnen hat, und das dürfte zweifellos auch mit der Landesgartenschau, dem Innenstadtumbau und mit der dadurch gewonnenen großen Lebensqualität der Stadt zusammenhängen, die ja von allen Bürgern, und auch vor allem von neu zuziehenden Einwohnern geschätzt wird. 

Zur Wahrheit gehört aber auch:

Die meisten Städte, gerade auch Landstädte, haben in der Zeit Einwohner gewonnen. Z.B. hat der ganze Kreis Calw von 2011 - 2023 sogar um über 12.000 Einwohner zugenommen. So erfreulich die Entwicklung in Nagold ist, sie ist nichts Spezielles in Nagold. Man sieht es, wenn man noch genauer hinschaut. Unsere Nachbarin Calw hat laut Statischem Landesamt sogar mehr Einwohner dazu gewonnen als Nagold - obwohl sie, ich glaube, das darf man sagen, nicht ganz diese Lebensqualität Nagolds und obwohl sie keine Landesgartenschau aufzuweisen hat. Calw hat momentan mehr als 1000 EW mehr im Vergleich zu Nagold. Bei Ihrem Amtsantritt Ende 2008, hatte die Differenz nur 850 EW betragen, die Schere ist also etwas aufgegangen. Und noch weiter geschaut - damit man die Entwicklung besser im Zusammenhang einordnen kann: 1992 beim Amtsantritt Ihres Vorgängers war die Differenz mehr als 1.500 Einwohner zugunsten Calw. - Damals, direkt vor Ihrer Amtszeit, hatte Nagold die Differenz also um fast die Hälfte aufgeholt, und wurde dann wieder größer.

Wie sollen wir das verstehen? Ist Nagold etwa doch nicht so anziehend, wie wir uns das gerne selber zuschreiben? Das glaube ich überhaupt nicht, und es kann eigentlich nicht sein. Und unsere Wohnungsmakler bestätigen auch, dass die Nachfrage groß ist, dass viele Interessenten gern nach Nagold ziehen würden.  Die Erklärung kann wohl nur darin liegen: Wir bieten zu wenig Wohnraum an, das Angebot ist noch enger als in anderen Städten, weil wir extrem wenig Wohnraum schaffen.

Wahrscheinlich könnten wir statt rund 180 EW im Jahresdurchschnitt gut und gern doppelt so viele neue Einwohner mit Wohnungen versorgen wenn wir sie hätten. 

Die sich im Gespräch befindlichen Baugebiete Rötenbach II, Oberer Steinberg,  Hochdorf, und Vollmaringen müssen umgesetzt werden notfalls durch Umlegungen. Selbst in Gündringen müsste man vielleicht doch wieder über eine Hangbebauung nachdenken, dem Dorf würde es sehr gut tun, wenn der Engpass gelockert würde, denn selbst die Eigennachfrage kann kaum erfüllt werden, weshalb Bürger wegziehen.

Die SPD ist bereit, das Thema zu forcieren, aber von der Verwaltung müssen die Vorschläge kommen. 

Seit 5 Jahren gehöre ich dem Regionalverband Nordschwarzwald an und erhalte seither in jeder Verbandsversammlung die Liste der neuen Wohnungsgebiete, die die 71 Gemeinden im Nordschwarzwald dort zur Zustimmung einreichen (und denen wird so gut wie immer zugestimmt) - von der Stadt Nagold kommt auffallend wenig! Warum denn bloß?

Wir haben das Gefühl, dass nach wie vor städtische Immobilien leer stehen, obwohl die Nachfrage sehr hoch ist und Wohnraum dringend gebraucht wird. Wir beantragen deshalb, dass dem Gemeinderat eine aktuelle Aufstellung über die städtischen Wohnimmobilien zur Verfügung gestellt wird, mit aktuellem Vermietungsstatus und bestehendem Sanierungsbedarf.

Beim Thema Mobilität der Zukunft warten große Aufgaben. Es ist gut, dass der Kreis und das Land die Schienenanbindung Nagolds im Blick haben.  Jetzt muss es darum gehen, die Bahnhaltepunkte in Gündingen und Emmingen forciert anzugehen. Diese können unseres Erachtens jetzt angegangen werden. Dies wäre eine deutliche Aufwertung der Teilorte. Hierfür ist kein MEX über Hochdorf notwendig, der sowieso nicht umgesetzt wird. Es gilt bei der Anbindung nach Herrenberg jetzt, die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie abzuwarten und sich gemeinsam hinter das aussichtsreichste Projekt zu stellen.

Das Thema Rad wird für die Menschen immer wichtiger. Aber Radverkehr braucht vernünftige Infrastruktur. Jeder Teilort muss über sichere Radwege an die Stadt und seine Nachbarorte angebunden werden. Der Lückenschluss zwischen Vollmaringen und dem oberen Steinberg aber auch die sichere Verbindung von Iselshausen in die Innstadt haben jetzt Priorität. Insbesondere fehlt auch eine gute Anbindung von Vollmaringen nach Göttelfingen und weiter zum sehr gut angeschlossenen Bahnhof Eutingen Nord.  Der ADFC erstellt aktuell mit vielen Ehrenamtlichen ein Konzept wie das Radwegenetz Nagolds aussehen könnte. Wir wünschen uns von der Stadtverwaltung einen Vorschlag und einen möglichen Zeitplan wie dieses umgesetzt werden kann.

Der Räumdienst im Winter muss selbstverständlich neben den Straßen für Autos auch die Radwege in einen benutzbaren und sicheren Zustand bringen. Bei Radwegen die gleichzeitig von landwirtschaftlichem Verkehr genutzt werden muss darauf geachtet werden, dass diese nicht durch Verschmutzungen zur Gefahr für die Radfahrer:innen werden.

Glasfaser

Zentral für einen attraktiven Wohn- und Gewerbestandort ist ein gut ausgebautes Glasfasernetz.

In den meisten Teilorten konnte durch das Markterkundungsverfahren des Landkreises die NetCom als Investor gewonnen werden. Hier wird aktuell das Netz ausgebaut. Offen ist noch, wie sich der Ausbau in Iselshausen und der Innenstadt gestaltet. Die Kooperation mit der Deutschen Giganetz ist ein richtiger Schritt. Jetzt muss die Stadtverwaltung die Bemühungen des Ausbauträgers unterstützen, damit genügend Immobilienbesitzer von der Mitwirkung überzeugt werden können. Dies ist Voraussetzung für das Gelingen des Ausbaus.

Die Stadt muss beim Klimaschutz noch eine Schippe drauflegen. Die reine Fokussierung auf den EEA allein ist nicht zielführend. Wir haben einen engagierten Klimaschutzmanager, der sich gut mit den Akteuren im Klimaschutz vernetzt. Es ist wichtig, dass die Wärmeplanung und die Klimabilanz erstellt werden. Aber entscheidend ist am Schluss die Umsetzung der Projekte.

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, da auch nach unserer Meinung im von Ihnen vorgelegten Haushaltsplan einige für Nagold wichtige Projekte verankert sind, werden wir dem Haushaltsplan heute zustimmen.

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Vielen Dank

Daniel Steinrode

für die Fraktion der SPD im Nagolder Gemeinderat

 

Homepage Daniel Steinrode