Kulturschaffende am Existenzminimum

Veröffentlicht am 06.03.2021 in Allgemein

Webtalk  über  die  Kultur  in  Altensteig  in  der  Corona-Krise

 

Altensteig hat außer dem schönen Blick auf die Altstadt noch mehr zu bieten! Auch die Christophoruskantorei, die Orchester, Theater und Jazzveranstaltungen, all dies bereichert unsere Stadt und ist auch ein weicher Standortfaktor. Die Verbindung aus Geschichte und reichhaltiger Kultur ist ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Stadt. Noch hat sie das zu bieten! Wir vermissen unsere Konzertbesuche und kulturelle Veranstaltungen jeder Art.

Doch die Corona-Krise trifft aber vor allem jene Menschen wirtschaftlich hart, die mit der Kultur ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch Chöre und andere Vereine sind stark betroffen. Rund 34 Prozent aller Erwerbstätigen im Kultursektor arbeiten als Solo-Selbstständige oder Freiberufler, Kurzarbeitergeld kommt für sie nicht in Betracht. Wie können sie ihren Lebensunterhalt bestreiten, es besteht für sie ja gerade eine Art Berufsverbot.

 

Um dies abzupuffern gibt es Förderprogramme des Bundes und auch einen Baden-Württembergischen Masterplan Kultur BW | Kunst trotz Abstand. Kommt diese Förderung bei den Künstlern an und wie ist die momentane Situation und ihr Blick in die Zukunft?

Wie geht es für die Kultur in Altensteig und Umgebung in Pandemiezeiten weiter, was ist die Perspektive?

Zu dem Thema „Kunst in Altensteig zu Corona-Zeiten“ lud der SPD-Ortsverein am 3.3.21 zum Webtalk ein. Zu Gast waren Philipp Göhner, der Landtagskandidat der SPD des Kreises Calw, und Andreas Jendrusch, Geschäftsführender Intendant des Regionentheaters und Vorstandsmitglied des Landesverbandes freier Tanz und Theaterschaffender e.V. Moderiert wurde der Webtalk von der Ortsvereinsvorsitzenden Claudia Bertram-Schuler und von Ulla Utters, Mitglied im Kreistag und Gemeinderat.

Andreas Jendrusch schilderte zunächst die derzeitige Situation: „Hilfsgelder sind zwar im Angebot, sie fließen aber nicht oder langsam, zudem ist es sehr schwierig an diese Hilfsgelder zu gelangen, meist ist ein Steuerberater nötig und dieser kostet Geld. Es werden aber nur maximal 90 % der Fixkosten der Künstler als Überbrückungshilfe geleistet.“ Das führe dazu, dass viele Kunstschaffende ihren Beruf an den Nagel hängen, um sich in anderen Berufszweigen eine Perspektive zu schaffen. Dabei sei zu beachten, dass Künstler ihren Beruf aus Berufung heraus betreiben und auch so meist am Existenzminimum agieren. Daher seien meist keine Rücklagen vorhanden.

Auch sei es schwierig, die Veranstaltungen immer neu aus dem Boden zu stampfen, eine Planungssicherheit existiere nicht, da immer wieder Veranstalter wegbrechen, Inzidenzen nicht berechenbar seien und Veranstaltungen sich unter Corona-Bedingungen nicht lohnten. „Es kommt hinzu, dass wir neben dem Erarbeiten eines Hygiene Konzeptes auch die gespielten Stücke mit viel Aufwand neu proben mussten, nämlich mit Abstand auf der Bühne, wo es z.b. bei Liebesszenen auch viel Kreativität braucht dies zu "Übersetzen“. Die im November durch den 2.lockdown verhängte komplette Einstellung des Spielplanes begann aber bereits Mitte Oktober mit Steigen der Zahlen und dem Wegbleiben von Publikum und Absagen durch Veranstalter".Zudem treibt die gesamte Kulturbranche Angst vor Kürzung des Kulturetats nach der Bundestagswahl um. Nicht zu vergessen ist das Kultur und Begegnung nach Corona sicherlich auch erschwert sein werden, die kulturelle Bildung für Schulen muss erst wieder anlaufen auch hier hat man keine Planungssicherheit. Auch der Musikschulunterricht fehlt. Daher gehen der Kultur viele Jugendliche verloren.

Philipp Göhner stellte als wichtigen Punkt heraus: „Kultur darf keine freiwillige Leistung im Etat mehr sein, denn wenn sie als Pflichtaufgabe ausgewiesen wird, wird hier nicht gestrichen. Kultur stellt einen großen Mehrwert für die Öffentlichkeit und die Bürger dar.“ Auf Landesebene wäre es für ihn wichtig, dass das Land dem Kreis angeben kann, dass die Kulturverantwortung ihm am Herzen liege. Gerade nach den großen Ausgaben in der Corona-Pandemie darf an dieser Stelle nicht gekürzt werden.

Andreas Jendrusch merkte an, dass es sogar eine Initiative gebe, Kultur ins Grundgesetz aufzunehmen. Wichtig sei die Wertschätzung der Kultur gegenüber, die grundlegende Bildung durch Theater und Musik und auch die Anerkennung der Kultur als Hilfe im Lebensalltag.

Andere Teilnehmer des Webtalks sprachen auch die Probleme im Orchester-, Chor- und Musikschulbereich an. Da die Gelder auf Gemeindeebene verteilt werden, müsse Altensteig als ausgewiesene Musik- und Flößerstadt dieses Profil nach der Pandemie schärfen, weiter unterstützen und in diese Richtung vorantreiben. Für das Orchester wäre auch Planbarkeit und vor allem eine Regelmäßigkeit wichtig, da das Orchester ein großer Lebensinhalt für die Jugendlichen darstellt, vor allem wenn Aufführungen wieder möglich sein sollten.

Der Chor der Christophoruskantorei und sicherlich auch andere Chöre sollen wieder Chöre sein. Momentan ist Jugend- und Nachwuchsarbeit nicht möglich. Hier sei der politische Wille gefragt, zum einen auf Landesebene, aber auch auf Gemeindeebene, hier müsse die Musikschul- und Chorausbildung, das Regionentheater und auch die Sicherung der kleinen kulturellen Betriebe unterstützt werden, so dass die kulturelle Vielfalt in Altensteig erhalten werden kann.

Die größten Wünsche von Andreas Jendrusch sind eine Planungssicherheit, kein Kampf um die Gelder der Kulturszene und eine größere Wertschätzung der Arbeit, die von allen Kulturschaffenden geleistet wird.

Text: Claudia Bertram-Schuler

 

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