Leserbrief: Tatsachen ins Gegenteil verkehrt

Veröffentlicht am 04.03.2014 in Kommunalpolitik
Leserbrief zum Artikel „Thematische Pflöcke eingeschlagen“ im Schwarzwälder Boten vom 27.02.2018 und dem Bericht von Haushaltsberatungen im Kreistag auf der Nordschwarzwaldseite

Tatsachen ins Gegenteil verkehrt
 
Mit Kopfschütteln habe ich den Artikel „Thematische Pflöcke eingeschlagen“ gelesen, in dem CDU-Kreisrat und Oberbürgermeister Grossmann – wie schon im Kreistag letzten Montag (SchwaBo, 25.02.) die Förderpraxis des Landes als „Skandal“ bezeichnet. Durch die Reduzierung des Fördersatzes bei Schienenprojekten auf 50 % würden weniger Projekte verwirklicht werden, so Grossmann. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit den festgeschriebenen Mitteln, die das Land vom Bund aus der Mineralölsteuer bekommt, lassen sich jetzt mehr Schienenprojekte umsetzen. Ohne diese Ausweitung hätte jedenfalls die Hesse-Bahn – nachdem sie vom früheren Verkehrsminister Ramsauer (CSU) abgelehnt worden war – keine Chance. Für sie geht es nicht um mehr oder weniger, sondern um Sein oder Nichtsein. Wäre die CDU noch am Regieren, wäre es bei der Verlängerung der Filder-Linie, im Filstal und eventuell der S-Bahn von Bietigheim nach Vaihingen/Enz geblieben. Diese Projekte sind viel weiter oben auf der Agenda und würden bei 70% Förderquote die Mittel völlig verbrauchen, während der Kreis Calw leer ausginge. Nur weil Verkehrsminister Hermann mit Unterstützung von Grünen und SPD – und bestärkt von Landrat Riegger – überzeugt ist, dass auch der Kreis Calw an den Raum Stuttgart angebunden werden muss, besteht, dank gleichmäßigerer Verteilung der Mittel, eine Chance, dass die Hesse-Bahn, die der Kreis zehn Jahre lang gar nicht beantragt hatte, noch in letzter Minute aufspringen kann.
Wirtschaftlich gedacht ist ja eine 70%-Förderquote eine Übersubventionierung, also Verschwendung von Steuergeldern. Seit über zehn Jahren wissen wir, dass die wohlhabendsten Gemeinden die mit guter Nahverkehrsanbindung (besonders S-Bahn) sind: Dorthin ziehen Familien, dort ist die größte Nachfrage nach Bauplätzen, die Anbindung macht sich in kurzer Zeit für die Gemeinden bezahlt. Für Gemeinden, die diese Chance bekommen, ändert eine Förderquote von 50 statt 70% daran kaum etwas. Sollen dieser Vorteile nur sehr wenigen Strecken vorbehalten bleiben, während eine Vielzahl sinnvoller Projekte – vor allem im ländlichen Raum – hinten auf der Warteliste bleiben? Die Quote von 50% ist viel marktgerechter als 70%, denn so lassen sich 40% mehr (man muss nur rechnen können) Schienenstrecken fördern. Statt einzelne wenige Strecken im Ballungsraum durch Übersubventionierung zu privilegieren, werden Steuermittel jetzt sorgfältig eingesetzt. Für den Kreis Calw ist es gleichzeitig der Glücksfall, dass er so die Chance hat, zum Zug zu kommen. In Stuttgart wird man sich nach der der Einlassung Grossmanns eher fragen, ob die Kreis-CDU die Hesse-Bahn vielleicht gar nicht will?
Viel mehr hätte ich mich gefreut, wenn der OB Grossmann (und CDU-Kreisrat) statt dieser fehl gehenden Polemik sich in Stuttgart endlich auch wirkungsvoll für die Nagolder S-Bahn-Verbindung einsetzen würde.
 
Daniel Steinrode, Nagold,  Mitglied des Kreistags