Bericht vom Bundesparteitag der SPD in Dresden 13.-15. November 2009 – Tag 3

Veröffentlicht am 15.11.2009 in Aus dem Parteileben
Saskia Esken

Saskia Esken

Erhard Epplers Rede zu 50 Jahren Godesberg bildet für mich einen besonderen Höhepunkt dieses Dresdner Parteitags der SPD im Jahr 2009. Eppler beginnt seine scharf analysierende Rede damit, die Grüße der AG 80+ auszurichten, und weist im Blick auf das angekündigte Thema seines Vortrags darauf hin, er könne nichts dafür: Er habe es zur Zeit des Godesberger Programms noch gar nicht gewagt, sich einzumischen, und wenn er es gewagt hätte, dann hätte man ihm nicht zugehört.

Und den minutenlangen stehenden Applaus am Ende seiner Rede beendet Eppler mit einem Zitat von Theodor Heuss: „Jetzt langt’s!“. Was uns Eppler dazwischen sagt, das ist wieder einmal ein Nachweis dafür, dass dieser Mann mit seinen 82 Jahren uns immer noch um Längen voraus ist, immer noch nicht nur auf der Höhe seiner Zeit, sondern dieser weit voraus.

Die Spannung zwischen dem, was ist und dem, was sein soll – das ist es, was die Sozialdemokraten antreibt, so Epplers Worte. Godesberg sei ein Parteitag gewesen, der die SPD in einer ähnlichen Situation vorfand, wie wir sie heute haben: Die SPD hatte drei Wahlen in Folge verloren und war am Boden zerstört. Und der Aufbruch, der von Godesberg ausging, konnte gelingen, weil diese Spannung zwischen dem, was ist und dem, was sein soll, auf ein Maß gebracht wurde, das überwindlich schien.

Heute spricht die Union von denselben Grundwerten wie wir Sozialdemokraten, sie spricht von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Bei der Union sitzen diese Grundwerte aber nach Epplers Worten „auf der Balkenschaukel“, die Union betrachte diese Werte als konkurrierende Werte, die es je nach aktueller Situation auszubalancieren gelte. Wieder einmal muss ich an Hans-Joachim Fuchtel denken, der im Wahlkampf formuliert hat: „Die Zeit der sozialen Gerechtigkeit ist nun vorbei, nun kommt wieder eine Zeit, wo Leistung zählt!“ – dass dieser Mann nun Staatssekretär für Soziales in Jungs Arbeitsministerium ist, ist eine geradezu unerträgliche Ironie der Geschichte.

Die Sozialdemokraten formulieren dagegen schon im Godesberger Programm, dass Freiheit und Gerechtigkeit sich gegenseitig bedingen, dass mehr Freiheit nur durch mehr Gerechtigkeit und durch mehr Solidarität erreicht werden kann. Und ich bleibe mit Erhard Eppler dabei, dass uns Sozialdemokraten und viele befreundete Organisationen das christliche Menschenbild antreibt, das Paulus so formuliert hat: Einer trage des anderen Last.

Noch nie in den 60 Jahren, die Erhard Eppler nun versucht, Politik zu machen, noch nie hat Deutschland die Sozialdemokratie so dringend gebraucht wie heute. Im zurückliegenden Jahr haben nicht die Märkte haben die Staaten gerettet, die Staaten haben die Märkte gerettet, aber Märkte sind ihrem Wesen nach nicht dankbar. Mit ihrer Strategie, den Staat immer weiter zurückzudrängen, möglichst viele staatliche Aufgaben zu einer Ware und damit zu einer Domäne des Marktes zu machen, mit der Verbreitung der Überzeugung, der Staat sei immer dümmer als der Markt, hat die marktradikale Ideologie das Bild der Gesellschaft von Staat und Politik fast zugrunde gerichtet. Die politischste aller Parteien in Deutschland, die SPD ist auch deshalb vom Vertrauensverlust in die Politik am tiefsten betroffen. Gerade deshalb, sagt Eppler, hat Deutschland die Politik noch nie so dringend gebraucht wie heute.

Die Menschen in Deutschland sind in großer Mehrheit der Auffassung, dass es in unserem Land nicht gerecht zugeht. Und der tiefere Grund für unsere Wahlniederlage liegt darin, dass diese Menschen nicht mehr daran glauben, dass es jemanden gibt, der dieses Land gerechter machen kann. Daran haben wir zu arbeiten. Und wenn die Zeitungen schreiben, die SPD habe nun einen Linksruck vollzogen – dann sollen sie das eben schreiben! Genau damit sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Lasst uns den Menschen den Glauben in die Politik zurückgeben, indem wir sie mitnehmen, lasst uns streiten für Freiheit UND Gerechtigkeit UND Solidarität.

 

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